Standards für Gleichbehandlungsstellen 

Gleichbehandlungsstellen sind die „Watchdogs“ für die Umsetzung und Einhaltung der Gleichbehandlungsrichtlinien in den Mitgliedsstaaten. Sie gewährleisten den Zugang zum Recht, bekämpfen Diskriminierung und fördern Gleichstellung.

Das Europäische Parlament und der Rat der Europäischen Union haben im Mai 2024 erstmalig verpflichtende Richtlinien zu Standards für Gleichbehandlungsstellen verabschiedet.

Die Richtlinien verankern unter anderem Standards für Unabhängigkeit, Ausstattung mit Ressourcen, Klagerechte, umfassende Zugänglichkeit, verpflichtende rechtspolitische Einbindung und Standards für Kompetenzen in der Präventivarbeit, der Kommunikation sowie der Datenerfassung und -evaluierung als wichtige Säulen der täglichen Arbeit von Gleichbehandlungsstellen. Die Richtlinien gelten für alle Gleichbehandlungsstellen mit Zuständigkeit für die Diskriminierungsgründe Geschlecht, Alter, sexuelle Orientierung, Religion und Weltanschauung, ethnische Zugehörigkeit sowie Behinderung. Die untenstehenden Links führen zu den Richtlinien im Originaltext:

Die Gleichbehandlungsanwaltschaft fordert bei der Umsetzung in Österreich vor allem Klagerechte, den Ausbau von Ressourcen im präventiven Bereich, in der Kommunikation und in der Datenerfassung und Evaluierung sowie eine umfassende Einbindung in die legislative und politische Entwicklung von Gleichbehandlungsthemen.

Bessere Standards für Gleichbehandlungsstellen kommen allen Menschen zugute, die bei Diskriminierungserfahrungen Unterstützung brauchen. Die neuen EU-Richtlinien müssen deswegen in Österreich rasch umgesetzt werden.

Welche Neuerungen bringen die Richtlinien für die tägliche Arbeit von Gleichbehandlungsstellen?

Die Richtlinienvorschläge der Europäischen Kommission betreffen folgende Bereiche:

  • Klagerechte: Gewährung von Klagerechten für Gleichbehandlungsstellen in Verwaltungs- und Gerichtsverfahren, insbesondere ein Verbandsklagerecht
  • Politische Einbindung: Gewährleistungen der Konsultierung von Gleichbehandlungsstellen von Regierung und anderen öffentlichen Institutionen bei einschlägigen Vorhaben bezüglich Rechtsvorschriften, Politik, Verfahren, Programmen und Praxen und Sicherstellung, dass Gleichbehandlungsstellen dazu Empfehlungen aussprechen, veröffentlichen und Rückmeldungen von den entsprechenden Behörden verlangen können
  • Präventive Gleichstellungsarbeit: Sicherstellung, dass Gleichbehandlungsstellen sich an der Prävention und Förderung der Gleichbehandlung strategisch beteiligen können, hinsichtlich öffentlicher Dialog, Schulungen, Leitfäden, Förderung von positiven Maßnahmen bei öffentlichen und privaten Einrichtungen
  • Mandat: Ein Mandat, um den Diskriminierungsschutz für alle bestehenden Gleichbehandlungsrichtlinien sicherzustellen, das betrifft zusätzlich vor allem auch die RL 79/7/EWG und 2000/78/EG
  • Unabhängigkeit: Sicherstellung der Unabhängigkeit, vor allem hinsichtlich Rechenschaftspflicht, Haushalt, Personalausstattung und organisatorischer Angelegenheiten
  • Ressourcen: Ausreichende personelle, finanzielle und technische Ressourcenausstattung, vor allem dann, wenn Zuständigkeiten erweitert, die Zahl der Beschwerden steigt, Prozesskosten anfallen und automatisierte Systeme genutzt werden
  • Unterstützung von Diskriminierungsopfern: Sicherstellung der Unterstützung von Diskriminierungsopfern, im Hinblick auf die Entgegennahme und vorläufige Einschätzung; im Hinblick darauf Möglichkeiten zu schaffen, Streitigkeiten auch gütlich beizulegen; im Hinblick auf weitere Untersuchungs- und Informationsrechte, um den Sachverhalt aufzuklären
  • Zugänglichkeit: Sicherstellung der niederschwelligen Erreichbarkeit, vor allem durch regionale Stellen und Gewährleistung von Barrierefreiheit und angemessenen Vorkehrungen
  • Zusammenarbeit: Sicherstellung von Kooperation und Koordination mit anderen Gleichbehandlungsstellen, mit einschlägigen öffentlichen und privaten Einrichtungen, einschließlich Organisationen der Zivilgesellschaft auf nationaler, regionaler und lokaler Ebene sowie in anderen Mitgliedsstaaten und auf Unions- und internationaler Ebene
  • Daten: Sicherstellung, dass Gleichbehandlungsstellen anonymisierte Daten über ihre Tätigkeiten nach Gründen und Bereichen aufgeschlüsselt erheben und sie Zugang zu einschlägigen Statistiken, die von Behörden, Gewerkschaften, Unternehmen und NGOs erstellt werden, haben, um eine Gesamtbewertung der Lage in Bezug auf Diskriminierung vornehmen zu können (Bericht, siehe nächster Punkt). Die Gleichbehandlungsstellen sollen dabei an diese Stellen Empfehlungen dazu abgeben können, welche Daten erhoben werden sollten und eine koordinierende Funktion übernehmen
  • Berichte: Gleichbehandlungsstellen sollen ein Mehrjahresprogramm für Prioritäten und künftige Strategien haben, jährliche Tätigkeitsberichte legen und alle vier Jahre einen Bericht mit Empfehlungen über den Stand der Gleichbehandlung und Diskriminierung, einschließlich möglicher struktureller Probleme veröffentliche
  • Überwachung: Für die Überwachung wird die Europäische Kommission Indikatoren zur Messung auch unter Beiziehung der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte (FRA) und des Europäischen Instituts für Gleichstellungsfragen (EIGE) entwickeln und alle fünf Jahre einen Bericht über die Anwendung und praktische Auswirkungen dieser Richtlinien verfassen

Wie geht es weiter?

Gemeinsam mit anderen Gleichbehandlungsstellen wird die Gleichbehandlungsanwaltschaft die Implementierung der Richtlinien in Österreich aktiv vorantreiben. Die Gleichbehandlungsanwaltschaft erarbeitet aktuell konkrete Vorschläge für die Implementierung der Standards. Diese werden dem Nationalrat im Rahmen der Berichtlegung im Herbst 2024 vorgelegt und außerdem mit relevanten Stakeholder:innen aus Politik, Zivilgesellschaft und Wissenschaft geteilt.

Die Gleichbehandlungsanwaltschaft engagiert sich außerdem für eine Sensibilisierung der Öffentlichkeit. Damit soll Bedeutung der Standards für eine diskriminierungsfreie Gesellschaft vermittelt werden.

Auf internationaler Ebene ist die Gleichbehandlungsanwaltschaft am Projekt Standards von Equinet beteiligt und wird an der Entwicklung weiterer Indikatoren für die Implementierung der Standards mitarbeiten.

Indikatoren für die Implementierung der Standards

Das European Network of Equality Bodies (EQUINET) hat bereits Indikatoren für die Standards der Gleichbehandlungsstellen entwickelt. Diese umfassen die Bereiche Mandat, Unabhängigkeit und Ressourcen. Die Indikatoren sollen dazu beitragen, die Einhaltung der Standards zu überprüfen. Insbesondere sollen die Indikatoren den europäischen Institutionen, den Mitgliedstaaten und den Gleichbehandlungsstellen dabei helfen, die Situation selbst zu überwachen und gegebenenfalls notwendige Verbesserungen zu identifizieren.

Hier finden Sie das
Self-Assessment auf Basis der genannten Indikatoren zum Download (DOCX, 1 MB).

Die Entwicklung von Standards für Gleichbehandlungsstellen

Ein wesentlicher Player für die Entwicklung von Standards ist Equinet, das europäische Netzwerk der Gleichbehandlungsstellen. Equinet wurde 2007 mit Sitz in Brüssel gegründet. Die Gleichbehandlungsanwaltschaft ist Gründungsmitglied, gestaltet die Entwicklung des Netzwerks nachhaltig mit.

Die Gleichbehandlungsstellen haben sich über Equinet aufgrund der wenigen Vorgaben durch die Richtlinien seit 2015 massiv für Standards für Gleichbehandlungsstellen eingesetzt. 2016 legte Equinet erstmals einen Baukasten für jene Standards vor, die unerlässlich sind, um sicherzustellen, dass Gleichbehandlungsstellen ihr volles Potenzial ausschöpfen können und so eine diskriminierungsfreie, diverse und inklusive Gesellschaft gestalten. Auf dieser Grundlage hat 2017 zunächst der Europarat und 2018 die Europäischen Kommission Empfehlungen zu Standards abgegeben.

Die Europäische Kommission kündigte im EU-Aktionsplan gegen Rassismus 2020-2025 an, eine umfassende Bewertung des bestehenden Rechtsrahmens vorzunehmen und den potenziellen Bedarf an Rechtsvorschriften zur Stärkung der Rolle und der Unabhängigkeit von Gleichbehandlungsstellen zu prüfen. Im letzten Bericht zur Überwachung der Umsetzung und Anwendung der Anti-Rassismusrichtlinie und der Gleichbehandlungs-Rahmenrichtlinie 2021 legte die Europäische Kommission einen weiteren Bericht zur Überprüfung der Implementierung der bestehenden Empfehlung zu Standards für Gleichbehandlungsstellen vor und befand, dass verbindliche Regelungen notwendig seien.

Nach einer umfassenden europaweiten Konsolidierungsphase legte die Europäische Kommission am 7.12.2022 Richtlinienvorschläge zu Standards für Gleichbehandlungsstellen vor: eine auf der Grundlage von Art 157 (3) AEUV sowie eine von Art 19 (1) AEUV.

Unter der Schwedischen Ratspräsidentschaft konnte am 7.6.2023 eine Einigung im Rat für einen Kompromissvorschlag erreicht werden. Die Vorschläge finden sich hier in englischer Sprache:

Unter der Spanischen Ratspräsidentschaft wurde der Gesetzgebungsprozess weitergeführt. Am 12.12.2023 erzielten der Rat und das Europäische Parlament eine politische Einigung zur Richtlinie auf der Grundlage von Art 157 (3) AEUV. Weiterführende Informationen hierzu sind in der Pressemitteilung des Europäischen Parlaments (PDF, 184 KB) zu finden.

Am 20.12.2023 befürwortete diese Einigung auch der Ausschuss der ständigen Vertreter (COREPER). Nähere Details dazu können der Pressemitteilung des Europäischen Rates (PDF, 44 KB) entnommen werden.

Die Richtlinien für Standards sind am 7.5.2024 verabschiedet worden.