Geschichte der GAW

Informieren Sie sich über 40 Jahre Gleichbehandlungsanwaltschaft und ihre Arbeit für die Gleichstellung und Gleichbehandlung aller Menschen in Österreich. 

Erste Anwältin für Gleichbehandlungsfragen: Ingrid Nikolay-Leitner
1. "Anwältin für Gleichbehandlungsfragen":
Dr. in Ingrid Nikolay-Leitner

Von der Einzelkämpferin zur Organisation

  • Die Anfänge des Gleichbehandlungsgesetzes gehen zurück auf die Forderung und auch bereits internationale Verpflichtung nach der ILO an Österreich nach gleichem Lohn für gleiche Arbeit. Das spiegelt sich im Gleichbehandlungsgesetz (GlBG) wider, das als „Gleichlohngesetz“ 1979 verabschiedet wurde. Mit diesem Gesetz wurde auch eine Gleichbehandlungskommission (GBK) eingerichtet, die neben den Gerichten kostenfrei überprüfen sollte, ob gegen das Gebot „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ verstoßen wurde und außergerichtliche Schlichtungsmöglichkeiten anbieten sollte.
  • Mit der zweiten GlBG-Novelle 1990 wurde eine „Anwältin für Gleichbehandlungsfragen“ eingesetzt und damit ein niederschwelliger Zugang zum Recht geschaffen. Vor einem Verfahren vor der Gleichbehandlungskommission sollten sich Betroffene beraten lassen. Erste Anwältin war Dr.in Ingrid Nikolay-Leitner, die mit 1. Jänner 1991, gemeinsam mit einer Stellvertreterin und einer Assistentin, ihren Dienst antrat: die Geburtsstunde der Gleichbehandlungsanwaltschaft.
  • Als Stabstelle der institutionalisierten Frauenpolitik war die Anwältin zunächst dem Arbeitsministerium und dann der ersten Frauenministerin Österreichs, Johanna Dohnal, zugeordnet. Die GAW wanderte als Stabststelle durch viele Ministerien. Die Themen waren anfangs ausschließlich feministisch geprägt und umfassten überwiegend die Schlechterbezahlung von Frauen. Daneben war die sexuelle Belästigung in der Arbeitswelt von Beginn an ein großes Thema. Das führte dazu, dass bereits 1992 das Verbot der sexuellen Belästigung ins Gesetz aufgenommen wurde. Österreich ging damit dem EU-Gemeinschaftsrecht voraus, die entsprechende europarechtliche Verpflichtung besteht erst seit 2004.

Regionalbüros

  • Innerhalb kürzester Zeit nach dieser Erweiterung wurde die sexuelle Belästigung zum Beratungsschwerpunkt der Anwältin. Die Anfragen stiegen rasant an und mit ihnen auch der Personalstand. Aus der „Anwältin“ wurde die „Gleichbehandlungsanwaltschaft“ (GAW), aus anfänglich drei Mitarbeiterinnen wuchs die Institution auf insgesamt fünf Büros: neben der Zentrale in Wien wurden Regionalbüros in Innsbruck, Graz, Klagenfurt und Linz eingeführt, um ein Beratungsangebot vor Ort in den Regionen bereitzustellen.

Unabhängige Dienststelle

  • 2014 wurde die GAW verfassungsmäßig weisungsfrei gestellt und ist seither als unabhängige Dienststelle des Bundeskanzleramtes eingerichtet.

Leiterinnenwechsel

  • 2018 erlebte die GAW einen weiteren Meilenstein. Die erste Anwältin für Gleichbehandlungsfragen, Dr.in Ingrid Nikolay-Leitner, übergab nach 27 Jahren die Leitung an Mag.a Sandra Konstatzky. Mit der neuen Leiterin erfuhr die GAW einen internen Strukturwechsel und erhielt einen neuen Fokus: wirkungsorientiertes Handeln und dessen Sicherstellung durch Monitoring und Evaluierung.
Regionalbüro STMK
Die GAW wächst! Hier: Eröffnung des Regionalbüros Steiermark

Von der Vision der Gleichstellung der Geschlechter zur umfassenden Antidiskriminierungsstelle

Mit der Novelle des GlBG 2004 wurden die Kompetenzen der GAW maßgeblich erweitert. Durch die Umsetzung der sogenannten 2000er Richtlinien entwickelte sich die GAW zu einer umfassenden Antidiskriminierungsstelle. Das GlBG wurde in der Arbeitswelt neben dem Geschlecht um vier Diskriminierungsgründe erweitert:

  • Ethnischer Herkunft
  • Religion und Weltanschauung
  • Alter
  • sexuelle Orientierung

Die Arbeitswelt umfasst nicht nur das Arbeitsverhältnis, sondern auch die selbstständige Erwerbstätigkeit oder Berufsausbildung und Umschulungen außerhalb des Arbeitsverhältnisses.

Gleichzeitig wurde der Geltungsbereich des Gleichbehandlungsgebots in Bezug auf die ethnische Zugehörigkeit erweitert. Durch die Umsetzung der Anti-Rassismusrichtlinie wurden

  • der Sozialschutz, einschließlich der sozialen Sicherheit und der Gesundheitsdienste,
  • die sozialen Vergünstigungen,
  • die Bildung,
  • und der Zugang zu Gütern und Dienstleistungen, inklusive Wohnraum

in das Gesetz aufgenommen. Dieser Teil des GlBG wurde hinsichtlich Zugang zu Gütern und Dienstleistungen, inklusive Wohnraum auch in Bezug auf Diskriminierung aufgrund des Geschlechts erweitert.

Eine umfassende Gleichstellung von allen Diskriminierungsgründen in allen Bereichen ist leider noch ausständig (siehe unsere Forderung nach levelling up (PDF, 1,01 MB)).

Seit 2011 verpflichtet das GlBG Arbeitgeber:innen, die mehr als 150 Personen beschäftigen, alle zwei Jahre einen Einkommensbericht zu erstellen. Diese helfen beim individuellen Rechtsschutz, da die Anwält:innen Auskunftsrechte haben und so Einkommensunterschiede darlegen können. Außerdem haben sich durch die Gesetzesnovelle immer mehr Unternehmen an die GAW gewandt, um aktiv Lohngerechtigkeit herzustellen und Diskriminierungspotenzial zu erkennen.

Die GAW hatte immer schon neben der individuellen Beratung und Unterstützung die Aufgabe, unabhängige Berichte, Empfehlungen und Untersuchungen durchzuführen und so auch Informations- und Bewusstseinsarbeit zu machen. In ihrer Rolle als Einrichtung zur Durchsetzung des Rechts auf Gleichbehandlung und Gleichstellung setzt sich die GAW für Individuen ein und unterstützt Institutionen, Organisationen und Unternehmen dabei, effektive Gleichstellung zur Realität in der Praxis zu machen. Sie nimmt damit ihren Auftrag wahr, auch präventiv und strukturell gegen Diskriminierung zu kämpfen.

EQUINET: Die nationalen Gleichbehandlungsstellen vernetzen sich

Von isolierten Akteur:innen auf nationaler Ebene zum europäischen Netzwerk mit wachsender Bedeutung

Equinet

  • In der Anti-Rassismusrichtlinie wurden erstmals auch Stellen zur Förderung der Gleichbehandlung erwähnt. Mit der Umsetzung dieser Richtlinien verstärkte sich die internationale Vernetzung, da es bereits Stellen  wie auch die GAW  mit langjähriger Erfahrung  gab und neue etabliert wurden. Aus dem zweijährigen Projekt „Stärkung der Zusammenarbeit zwischen Gleichbehandlungsstellen zur Umsetzung der Gleichbehandlungsgesetzgebung“ wurde 2007 das Netzwerk europäischer Gleichstellungsstellen (European Network of Equality Bodies, kurz: Equinet) gegründet. Die GAW ist Mitbegründerin, die Leiterinnen der GAW waren jeweils sechs Jahre im Board von Equinet vertreten und haben so die internationale Vernetzung und europäische Ausrichtung maßgeblich mitgestaltet. Mittlerweile besteht das Netzwerk aus 47 Partnerorganisationen aus 34 europäischen Ländern.
  • Diese internationale Kooperation ermöglicht den Informationsaustausch zwischen den Gleichstellungsstellen in ganz Europa sowie eine gezielte Lobbyarbeit zur Stärkung der Gleichbehandlungsstellen. Ziel ist, diese in ihrer Arbeit zu unterstützen sowie die Förderung der einheitlichen Umsetzung des europäischen Gleichbehandlungs- und Antidiskriminierungsrechts und der Anhebung des rechtlichen Schutzes gegen Diskriminierung.

Gleichbehandlungsstellen als "Watchdog"

  • Gleichbehandlungsstellen werden heute im europäischen Kontext als „Watchdog“ für Gleichbehandlung in den einzelnen Ländern angesehen. Eine starke politische Botschaft folgte 2018, als die Europäische Kommission eine Empfehlung zu den Standards für Gleichbehandlungsstellen für das Mandat, die Unabhängigkeit und Effektivität veröffentlichte. Die EU-Kommission bezeichnet sie als Garant der Umsetzung der Wertegemeinschaft.
Sandra Konstatzky blickt in die Zukunft
Unter der neuen Leitung von Mag.a Sandra Konstatzky blickt die GAW in die Zukunft.

Vision für die Zukunft

  • Im Zentrum der derzeitigen Diskussion steht schon seit 2008 die horizontale Richtlinie. Diese Richtlinie fokussiert sich darauf, die Diskriminierungsgründe, die in der Arbeitswelt schon rechtlich verankert sind, auch außerhalb der Arbeitswelt (Güter, Dienstleistung, Wohnraum, Bildung, etc) in das EU-Recht aufzunehmen. Während fast alle Staaten diesen Schutz bereits umgesetzt haben, wurde die EU-weite Richtlinie bis heute nicht erlassen.
  • Alle zwei Jahre berichtet die GAW an den Nationalrat, um aufzuzeigen,
    • in welchen Lebensbereichen Ungleichbehandlungen vorkommen,
    • in welcher Häufigkeit Ungleichbehandlung erlebt wird und
    • welche Verbesserungen beim Schutz vor Diskriminierung notwendig sind.
  • Die Forderung nach einer Erweiterung des Diskriminierungsschutzes besteht auch in Österreich. Die GAW setzt sich in den nächsten Jahren für diese Erweiterung und für ein Klagsrecht ein, um ihrer Aufgabe, gegen Diskriminierung vorzugehen, mit erhöhter Wirksamkeit nachkommen zu können.