Elternschaft als Diskriminierungsgrund: Umsetzung der Vereinbarkeitsrichtlinie notwendig
Der Fall des Monats beschäftigt sich mit Fragestellungen der Vereinbarkeit von Familie und Beruf in Österreich und wie das Gleichbehandlungsgesetz in diesem Bereich Schutz bietet.
Vorfall und Beratung
Herr G arbeitet im Top Management eines internationalen Konzerns. Nach einigen Jahren höchst erfolgreicher Tätigkeit und der konkreten Aussicht auf weitere Karrieresprünge beantragt Herr G Elternteilzeit. Er schlägt vor, an einem bestimmten Tag nur bis zu Mittag zu arbeiten. Sein Vorgesetzter gibt ihm daraufhin zu verstehen, dass er in seiner Zeiteinteilung als Manager ohnehin flexibel sei und er daher keine Elternteilzeit brauche. Herr G versucht zu erklären, dass das wesentliche Ziel der Inanspruchnahme der Elternteilzeit gerade die familiär bedingte, notwendige Planbarkeit ist. Schließlich stimmt sein Vorgesetzter widerwillig zu – unter der Voraussetzung, dass Herr G in dieser Zeit trotzdem erreichbar ist. Nachdem Herr G ein halbes Jahr später seinen Karenzwunsch bekannt gibt, wird er von seinem Vorgesetzten zu einem Gespräch geladen. In diesem wird Herrn G eröffnet, dass er wegen einer Umstrukturierung künftig keine Managementposition mehr bekleiden werde. Kein anderer seiner Kollegen im Management hat Elternpflichten, die Umstrukturierung trifft letztlich nur ihn. Herr G tritt seine neue Position unter Protest an und versucht weiterhin, sich unternehmensintern auf andere Managementpositionen zu bewerben. Er wird allerdings nicht berücksichtigt.
Herr G wendet sich an die Gleichbehandlungsanwaltschaft (GAW), um rechtliche Beratung zu erhalten. Er möchte, dass die GAW Interventionsschreiben an die Unternehmensleitung in Österreich schickt. In diesen wird auf die Benachteiligung im Zusammenhang mit Karenz und Elternteilzeit hingewiesen und die rechtlichen Vorgaben des Gleichbehandlungsgesetzes (GlBG) erläutert. Herr G erhofft sich, dass dadurch ein Umdenken im Unternehmen bewirkt wird. Die GAW richtet einen Antrag an die Gleichbehandlungskommission (GBK). Die GBK stellt eine Diskriminierung bei den sonstigen Arbeitsbedingungen und beim beruflichen Aufstieg fest. Herr G bekämpft seine verschlechternde Versetzung zudem erfolgreich bei Gericht. Nach der gerichtlichen Feststellung der verschlechternden Versetzung wird Herr G jedoch von seinem Arbeitgeber freigestellt. Durch den Verlust seiner Personalführungsagenden hat er wenig Chancen auf eine annähernd gleichwertige Position außerhalb seines Unternehmens.
Rechtliche und soziale Hintergründe
Vereinbarkeit als wesentlicher Beitrag zur Gleichstellung
Der Fall von Herrn G zeigt, dass das Thema Vereinbarkeit mit der Gleichstellung der Geschlechter verknüpft ist. In den letzten zwei Jahren standen 22% der Fälle, die an die Gleichbehandlungsanwaltschaft (GAW) herangetragen wurden, im Zusammenhang mit Benachteiligungen rund um Schwangerschaft, Karenz und Elternteilzeit. Auch wenn vor allem Frauen seit jeher Benachteiligungen wegen ihrer familiären Situation erfahren, zeigt die Situation von benachteiligten Vätern auf, wie sehr versucht wird, die traditionelle Rolle des Karrieremannes und männlichen Brotverdieners aufrechtzuerhalten. Damit wird die gleiche Aufteilung familiärer Verantwortung verhindert, was die tatsächliche Gleichstellung von Frauen verhindert. Die GAW sieht es als ihre Aufgabe, hier Bewusstseinsbildung zu betreiben. In den Workshops und Fortbildungen, für die die GAW von Unternehmen angefragt wird, wird das Thema Vereinbarkeit aktiv eingebaut.
EU-Richtlinien
Auf Ebene der EU ist das Thema der Eltern und deren Position am Arbeitsplatz seit langem präsent. So bietet die bis dato in Geltung befindliche Elternurlaubsrichtlinie, u.a. das Recht, nach der Karenz an den gleichen Arbeitsplatz zurückzukehren. Zahlreiche Urteile des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) haben sich bereits damit auseinandergesetzt (Urteil vom 20. Juni 2013, Riežniece, C-7/12, EU:C:2013:410; Urteil vom 7. September 2017, H. gegen Land Berlin, C-174/16, EU:C:2017:637). Zur weiteren Verbesserung der Situation von Eltern – und neuerdings auch pflegenden Angehörigen – wurde im Jahr 2019 die so genannte Vereinbarkeitsrichtlinie beschlossen. Diese ist bis 2.8.2022 in
Österreich umzusetzen. Die Richtlinie legt Mindestvorschriften fest, mit dem Ziel, die Gleichstellung von Frauen und Männern durch verbesserte Rechte im Zusammenhang mit Vereinbarkeit zu fördern. Unter anderem mit dem Recht auf flexible Arbeitszeiten bereits ab 6 Monaten Unternehmenszugehörigkeit und dem Fokus auf Karenzzeiten, die ausschließlich für Väter und zweite Elternteile reserviert sind.
Umsetzung der Vereinbarkeitsrichtlinie in Österreich
Für die Gleichbehandlungsanwaltschaft (GAW) besonders relevant ist die Aufnahme eines eigenen gesetzlichen Diskriminierungsbegriffs, wenn Eltern und pflegende Angehörige Karenz oder Elternteilzeit bzw. flexible Arbeitszeiten in Anspruch nehmen wollen (Artikel 11 der Richtlinie). In Artikel 15 der Richtlinie ist eine spezielle Zuständigkeit der GAW vorgesehen. In der Beratung der GAW werden seit langem Fälle im Zusammenhang mit Vereinbarkeit behandelt. Dabei wird sich auf die Formulierung des Gleichbehandlungsgesetzes (GlBG) gestützt, wonach Diskriminierungen auf Grund des Geschlechts – insbesondere unter Bezugnahme auf den Familienstand oder den Umstand, ob jemand Kinder hat – verboten sind (§ 3 GlBG). Die Umsetzung der Richtlinie in Österreich soll die Rechte von Eltern und pflegenden Angehörigen stärken und diese klar als Diskriminierung ausweisen (Artikel 15 der Richtlinie).
Fazit
Gerade im Hinblick auf die Anzahl an Diskriminierungsfällen, die bei der Gleichbehandlungsanwaltschaft (GAW) gemeldet werden, aber auch wegen dem Fokus, den die neue EU-Richtlinie setzt, sieht es die GAW als ihre Aufgabe, Bewusstseinsbildung zum Thema der Vereinbarkeit zu betreiben. Die GAW blickt mit Spannung auf die Umsetzung der Vereinbarkeitsrichtlinie, die sicherlich verspätet erfolgen wird. Eine vorausschauende Umsetzung würde die Chance bieten, es Ländern wie Island nachzumachen. Dort wird gesetzlich klargestellt, dass Karenzen zu teilen sind und Vätern werden in diesem Zusammenhang rechtliche Vorgaben gegeben, nach denen sich die Unternehmen orientieren. Eine Einbeziehung der GAW in die gesetzliche Umsetzung der Richtlinie ist bislang nicht erfolgt, obwohl die Richtlinie eine eindeutige Zuständigkeit der GAW vorsieht. Es bleibt daher abzuwarten, welche Schritte in Richtung Gleichstellung der österreichische Gesetzgeber setzen wird.
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