Wohnung nur für Heteros? Oder nicht für Migrant:innen?
Der Fall des Monats beschäftigt sich mit Homofeindlichkeit und Rassismus beim Thema Wohnen und Zugang zu Wohnraum. Was ist durch das Gleichbehandlungsgesetz geschützt und was nicht?
Vorfall und Beratung
Frau N. und ihre Lebensgefährtin Frau O. sind auf Wohnungssuche. Nach einer Besichtigung in einem Wiener Innenstadtbezirk scheinen sie ihre Traumwohnung gefunden zu haben. Sie stellen ein Mietanbot, die Maklerin ist zuversichtlich: Frau O ist Beamtin, Frau N arbeitet in einem großen Medienunternehmen – beide Frauen haben regelmäßiges, sicheres Einkommen.
Die Absage des Vermieters folgt dennoch prompt und ohne Begründung. Wie die Frauen kurze Zeit später in Erfahrung bringen, liegt dem Vermieter kein anderes Anbot vor. Die Maklerin erkundigt sich, ob Frau N. und Frau O. die Wohnung nicht als WG mieten wollen. Frau N. ist irritiert und vermutet eine Diskriminierung aufgrund ihrer sexuellen Orientierung, auch weil der Vermieter einer großen religiösen Gemeinschaft angehört. Auch ihre serbische Herkunft hat sie im Mietanbot erwähnt. Sie wendet sich daher an die Gleichbehandlungsanwaltschaft (GAW): Wurden sie aufgrund ihrer sexuellen Orientierung diskriminiert? Oder aufgrund ihrer Herkunft?
Schutzlücken im Gleichbehandlungsgesetz
Das Gleichbehandlungsgesetz (GlBG) weist Schutzlücken beim Zugang zu Gütern, Dienstleistungen und Wohnraum auf: Es bietet hier keinen Schutz aufgrund der sexuellen Orientierung. In diesem Bereich sind lediglich Diskriminierungen aufgrund des Geschlechts und der ethnischen Zugehörigkeit verboten.
Hier kann die GAW rechtlich ansetzen, weil das GlBG vor einer Diskriminierung aufgrund der ethnischen Zugehörigkeit beim Zugang zu Wohnraum schützt. Der Vermieter wird daher mit einem Interventionsschreiben durch die GAW zur Stellungnahme aufgefordert. Das Antwortschreiben des Vermieters bringt allerdings keine weiteren Indizien zutage. Als Grund für die Ablehnung wird eine Personalveränderung seitens der Hausverwaltung und daraus entstehende Missverständnisse in der Kommunikation mit dem Wohnungseigentümer angeführt. Aufgrund der Nachfrage der Maklerin, ob die beiden als WG mieten wollten, besteht zwar die dringende Vermutung, dass Frau N. und Frau O. aufgrund ihrer sexuellen Orientierung abgewiesen wurden. Trotzdem kann die GAW wegen der Schutzlücke im GlBG für Frau N. und Frau O. keine weiteren Schritte setzen. Der Fall kann rechtlich nicht weiterverfolgt werden.
Der Fall von Frau N. und Frau O. steht für unzählige weitere. Eine große angelegte SORA-Studie (2019) ist erleben, schwule, lesbische und bisexuelle Befragte mehr als dreimal so oft eine Schlechterbehandlung wie heterosexuelle Befragte (SORA Institut: Diskriminierung in Österreich, 2019.). Außerdem gaben 73 % der Befragten an, in den letzten drei Jahren eine Diskriminierung erlebt zu haben (Lebensbereiche: Arbeit, Wohnen, medizinische Dienstleistungen und Ausbildung). Eine 2019 veröffentlichte LGBT-Erhebung der europäischen Grundrechte-Agentur (FRA) kommt zu einem ähnlichen Ergebnis: 43 % der Befragten gaben an, mindestens einmal in den letzten zwölf Monaten aufgrund ihrer sexuellen Ausrichtung oder der Geschlechtsidentität in verschiedenen Situationen des täglichen Lebens diskriminiert worden zu sein (erhobene Lebensbereiche: Arbeit, Wohnungs-, Gesundheits- und Sozialwesen, Bildung, Zugang zu Gütern und Dienstleistungen)
Fazit
Der vorliegende Fall zeigt Lücken des Diskriminierungsschutzes im GlBG auf. Für die GAW gibt es keine Möglichkeit, für Frau N. und ihre Lebensgefährtin eine Diskriminierung aufgrund ihrer sexuellen Orientierung in Bezug auf den Zugang zu Wohnraum – in diesem Fall die Mietwohnung – geltend zu machen.
Das GlBG schützt nicht alle Menschen gleichermaßen vor Diskriminierung. Die sexuelle Orientierung ist in Österreich zwar in der Arbeitswelt geschützt, jedoch nicht in weiteren Lebensbereichen. Die GAW weist daher stets darauf hin, dass der Schutz gegen Diskriminierung für alle Bereiche des GlBG ausgeweitet werden und damit auch Menschen berücksichtigen muss, die aufgrund ihrer sexuellen Orientierung benachteiligt werden. Diese Forderung wird als „Levelling-Up“ bezeichnet. Das stellt auch eine zentrale Forderung im letzten Bericht der GAW an den Nationalrat dar (Tätigkeitsberichte - Gleichbehandlungsanwaltschaft, 2020).
Um dieser Forderung Nachdruck zu verleihen, werden alle gemeldeten Fälle von Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung außerhalb der Arbeitswelt dokumentiert. Die GAW ersucht auch explizit darum, diese Fälle zu melden. Durch eine fünfjährige LGBTIQ-Strategie will die EU-Kommission den rechtlichen Schutz vor Diskriminierung ausweiten und dabei auch die Rolle der Gleichstellungsstellen stärken (Lgbtiq_factsheet_2020-2025_de.pdf (europa.eu), 2020 (Zugriff: 28.05.2021)). Die GAW fordert schon jetzt: Levelling-Up und damit den gleichen Schutz vor Diskriminierung in allen Lebensbereichen für alle.