Gleicher Job, weniger Gehalt: "Er hat besser verhandelt" ist kein Argument.
Der Fall des Monats beschäftigt sich mit Gender Pay Gap, Equal Pay und Einkommensdiskriminierung in Österreich. Wie schützt das Gleichbehandlungsgesetz in diesem Bereich vor Diskriminierung?
Vorfall und Beratung
Frau J ist in einem Unternehmen als Buchhalterin beschäftigt. Als Einstiegsgehalt wurden EUR 3.300,- brutto festgesetzt, wobei der Dienstvertrag als „all – inclusive – Vereinbarung“ auch sämtliche Überstunden pauschal abgelten sollte. Ein halbes Jahr später sucht Frau Js Chefin eine weitere Person für die Buchhaltung und betont mehrmals gegenüber Frau J, dass sie für die neue Stelle gerne einen Mann einstellen möchte. Das Einstiegsgehalt für den neuen Kollegen wird höher bemessen als das Gehalt von Frau J.
Frau J und ihr Kollege sollen die gesamte Buchhaltung grundsätzlich gemeinsam abwickeln. Im Arbeitsalltag erfüllt Frau J jedoch tatsächlich höherwertigere Tätigkeiten als ihr Kollege. Auf Nachfrage begründet Frau Js Chefin den Gehaltsunterschied damit, dass der Kollege besser verhandelt habe. Frau J hat den Eindruck, auf Grund des Geschlechts diskriminiert zu werden und wendet sich an die Gleichbehandlungsanwaltschaft.
Die Gleichbehandlungsanwältin stellt einen Antrag zur Prüfung einer Entgeltsdiskriminierung an die Gleichbehandlungskommission (GBK). Die GBK stellt fest, dass Frau J auf Grund des Geschlechts beim Entgelt diskriminiert worden ist. Die Arbeitgeberin leistet Schadenersatz an Frau J.
Rechtliche und soziale Hintergründe
Equal Pay: Gleiches Entgelt für die gleiche Arbeit
Das Gleichbehandlungsgesetz (GlBG), auf dessen Grundlage die Gleichbehandlungsanwaltschaft berät, ist ein wichtiges Mittel zur Bekämpfung des sogenannten Gender Pay Gaps.
Laut dem GlBG liegt eine Diskriminierung vor, wenn eine Person aufgrund ihres Geschlechts in einer vergleichbaren Situation eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Dies gilt auch beim Entgelt (§ 3 Z 2 GlBG). Um zu überprüfen, ob eine Entgeltdiskriminierung aufgrund des Geschlechts vorliegt, ist zunächst zu fragen, ob eine „gleiche oder gleichwertige Tätigkeit“ ausgeübt wird.
Zu Beginn der Beschäftigung von Frau J und ihrem Kollegen war jedenfalls von einer gleichen oder gleichwertigen Tätigkeit auszugehen. Frau J und ihr Kollege sollten gemeinsam die gesamte Buchhaltung abwickeln. Der Unterschied in der Tätigkeit lag schlußendlich darin, dass Frau J höherwertige Aufgaben ausführte.
Entgeltsysteme müssen transparent sein
Grundsätzlich gilt, dass eine Person, die einen Anspruch geltend macht, die Tatsachen, die für den Anspruch sprechen, selbst vorbringen muss. Bei Equal Pay-Fällen funktioniert das anders: Kann eine Person nachweisen, dass sie für die gleiche bzw. eine gleichwertige Tätigkeit weniger Entgelt erhält als eine Person des anderen Geschlechts, sind es die Arbeitgeber:innen, die beweisen müssen, dass keine Diskriminierung vorliegt (vgl. GBK I 1018/21). Sie müssen darlegen, dass der Gehaltsunterschied durch objektive Faktoren gerechtfertigt ist, die nicht mit dem Geschlecht in Verbindung stehen.
Diese Umkehr der Beweislast ist ein wichtiges Element, dass es überhaupt erst möglich macht, Entgeltdiskriminierung zu beweisen. – Schließlich haben nur Arbeitgeber:innen den vollen Einblick in die Motive für ihre Entscheidung. Nach Rechtsprechung des EuGH müssen Entgeltsysteme daher diskriminierungsfrei, transparent und nachvollziehbar sein (Vgl z.B. EuGH Danfoss C-109/77, Enderby C-127/92).
Im Fall der Frau J, die für die gleiche Tätigkeit weniger verdient als ihr Kollege, sind die Voraussetzung für eine Beweislastumkehr erfüllt.
Verhandlungsgeschick entkräftet Diskriminierung nicht
Ein Unterschied im Entgelt zwischen Männern und Frauen kann, nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, jedenfalls nicht mit dem Verhandlungsgeschick der Arbeitnehmer:innen gerechtfertigt werden. Vielmehr haben Arbeitgeber:innen die Verpflichtung, solche Lohnunterschiede von sich aus zu beseitigen. Nach Ansicht des OGH darf nicht außer Acht gelassen werden, dass Frauen häufiger als Männer bereit sind, niedriger entlohnte Tätigkeiten anzunehmen, zumal ihre Arbeit oft bereits im Rahmen der Arbeitsbewertung als weniger schwierig und damit geringerwertig eingestuft wird (vgl. OGH 9 ObA 350/97d).
Das Argument von Frau Js Vorgesetzter ist damit nicht ausreichend, um den Gehaltsunterschied zu rechtfertigen. Der Beweis, dass Frau J nicht diskriminiert wurde, konnte von ihr nicht erbracht werden.
Wird eine Person beim Gehalt diskriminiert, hat sie Anspruch auf die Entgeltdifferenz und Schadenersatz für die erlittene persönliche Beeinträchtigung. Diesen Anspruch kann Frau J auch vor Gericht durchsetzen.