Betreuung und Pflege von Kindern und Angehörigen: Neuer Diskriminierungsgrund schafft mehr Rechtssicherheit

Ein Vater wird aufgrund seines Ansuchens um Elternteilzeit gekündigt. Es gelingt ihm mit Hilfe der Gleichbehandlungsanwaltschaft einen Vergleich zu erzielen. In Zukunft werden ähnliche Fälle auf Basis eines neuen Diskriminierungsgrundes entschieden.

Vorfall: Kündigung nach Anfrage um Elternteilzeit

Herr B arbeitet seit einem Jahr im gleichen Unternehmen. Nach der Geburt seines jüngsten Sohnes nimmt der dreifache Vater eine neunmonatige Karenz in Anspruch, um sich der Kinderbetreuung zu widmen. Bereits bei der Ankündigung der Väterkarenz kommuniziert Herr Bs Arbeitgeber, wie das Unternehmen dazu stehe. Aussagen wie „Hätte ich von deinen Väterkarenzplänen vor der Geburt gewusst‚ hätte ich dich vorher entlassen können“ sind diesbezüglich gefallen.

Einen Monat vor der Karenzrückkehr an seinen Arbeitsplatz, nimmt Herr B Kontakt mit seinem Arbeitgeber auf. In einem Telefonat mit diesem wurde beschlossen, dass Herr B dort einsteigen solle, wo er aufgehört hatte. Allerdings wurde Herrn B kommuniziert, dass dessen „zeitliche Flexibilität nicht mehr so sein werde wie davor“.

Da für Herrn B die bisherige zeitliche Flexibilität essentiell war, um der Betreuung seiner Kinder nachzukommen, beschließt er, bei seinem Arbeitgeber um Elternteilzeit anzusuchen. Innerhalb von einer Woche erhält Herr B die schriftliche Rückmeldung, dass sein Ansuchen aufgrund fehlender Voraussetzungen abgelehnt wurde. Da er dies nicht so hinnehmen möchte, bittet Herr B um ein persönliches Gespräch. Zu diesem kommt es jedoch nicht mehr: Zwei Tage nach dem letzten Mailverkehr erhält Herr B die Mitteilung, bis auf Weiteres vom Dienst freigestellt zu sein. Als Grund wurde eine Unternehmensumstrukturierung genannt. Acht Wochen später wird schließlich seitens des Arbeitgebers eine Kündigung ausgesprochen.

Dieses Vorgehen erscheint Herrn B suspekt. Er erkundigt sich daraufhin bei Kolleg:innen, inwiefern Umstrukturierungen innerhalb des Unternehmens geplant seien. Diese geben einhellig an, nichts von derartigen Plänen zu wissen.

Herr B fühlt sich in seinem Verdacht bestätigt, seine Kündigung stehe im Zusammenhang mit seinem Ansuchen um Elternteilzeit. Aus diesem Grund wendet er sich schließlich an die Gleichbehandlungsanwaltschaft (GAW).

Erfolgreicher Vergleichsabschluss

Herr B wird von der GAW über seine rechtlichen Möglichkeiten aufgeklärt. Mit der Unterstützung einer Gleichbehandlungsanwältin reicht er daher einen Antrag bei der Gleichbehandlungskommission (GBK) ein. Bereits in der vorbereitenden Sitzung der GBK konnten Herr B und sein Arbeitgeber sich auf einen außergerichtlichen Vergleich in Höhe von 6.000,- Euro einigen. Da Herr B sich in einer Zeit, die von Jobsuche und Kinderbetreuungspflichten geprägt ist, nicht zusätzlich auf einen Rechtsstreit einlassen möchte, kommt ihm diese Lösung entgegen und er zieht den Antrag vor der GBK zurück.

Rechtliche Hintergründe

Bis Oktober 2023: Diskriminierung aufgrund des Geschlechts

Eine benachteiligende Behandlung am Arbeitsplatz auf Grund der Tatsache, dass jemand Kinder hat, kann eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts darstellen und ist daher nach dem Gleichbehandlungsgesetz (GlBG) verboten. Damit schützt das Gesetz in vielen Fällen u.a. Wiedereinsteiger:innen und Personen in Elternkarenz und Elternteilzeit (§ 3 GlBG). Diese Personen dürfen nicht wegen ihrer Karenz, ihrer Rückkehr aus der Karenz, ihrer Elternteilzeit oder einer anderen Situation, in der sie sich aufgrund der Tatsache ihres Kinderhabens befinden, benachteiligt werden(§ 3 GlBG).

Im Fall von Herrn B liegt nach Ansicht der GAW eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor, da auf seine Geschlechterrolle Bezug genommen wurde und der Umstand, dass er Care-Arbeit für sein Kind geleistet hat, zu Nachteilen geführt hat - konkret zu einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses.) In einem solchen Fall kann die Kündigung bei Gericht angefochten oder ein Schadenersatz geltend gemacht werden (§ 3 Z 7 GlBG iVm § 12 Abs 7 GlBG).

Ab November 2023: Diskriminierung aufgrund der Betreuung und Pflege von Kindern und Angehörigen

Schon 2019 trat eine Richtlinie der EU in Kraft, welche die Situation von Eltern und Angehörigen, die sich um Kinder und pflegebedürftige Personen kümmern, verbessern soll. Ziel ist es, einerseits Frauen und Männern abseits klassischer Rollenbilder mehr Freiheiten zu geben, andererseits die Work-Life Balance zu stärken, damit sowohl Erwerbsarbeit als auch Care-Arbeit möglich sind. Es war daher notwendig, die Rechte von Eltern und pflegenden Angehörigen zu stärken.

Nach langen Verhandlungen in Österreich gibt es ab 1. November 2023 zahlreiche Änderungen im Mutterschutz- und Väterkarenzgesetz, im Arbeitsvertragsrechtsanpassungsgesetz (AVRAG), Urlaubsgesetz, Angestelltengesetz und auch dem GlBG (§§ 2 und 5a GlBG).

Für das Gleichbehandlungsgesetz bedeutet dies einen neuen Bereich, unabhängig davon, ob das Diskriminierungsmerkmal Geschlecht betroffen ist. Personen, die wegen Karenz, Elternteilzeit, der Änderung der Lage der Arbeitszeit, aber auch wegen Pflegefreistellungen, Sterbebegleitung usw. am Arbeitsplatz benachteiligt werden, können sich auf das GlBG berufen. Die GAW kann sie dabei unterstützen, mit Arbeitgeber:innen eine gleichbehandlungskonforme Lösung zu erarbeiten, erhält also in Bezug auf zu pflegende Angehörige einen neuen Bereich zur Beratung hinzu.

Diese Änderung bewirkt zudem, dass Personen, die Betreuungspflichten wahrnehmen, nun nicht mehr nachweisen müssen, dass es einen Zusammenhang zwischen der Benachteiligung und dem Geschlecht gibt. Vielmehr wird im geänderten § 2 GlBG klargestellt, dass das GlBG zum Ziel hat, die Gleichstellung der Geschlechter zu erreichen UND dass die Ermöglichung der Vereinbarkeit von Berufs- und Familienleben von Eltern, Adoptiv- und Pflegeeltern sowie pflegenden Angehörigen damit im Zusammenhang steht.

Fazit

Der Fall von Herrn B zeigt, dass das Thema Vereinbarkeit von Beruf und Familie mit der Gleichstellung der Geschlechter verknüpft ist. Im Jahr 2022 betraf jeder vierte von der GAW aufgenommene Fall im Bereich der Geschlechterdiskriminierung bei den Arbeitsbedingungen Benachteiligungen rund um Elternteilzeit, Karenzrückkehr und Karenzbeantragung. Auch wenn vor allem Frauen seit jeher Benachteiligungen wegen ihrer familiären Situation erfahren, zeigt die Situation von benachteiligten Vätern auf, wie sehr versucht wird, die traditionelle Rolle des Karrieremannes und männlichen Brotverdieners aufrechtzuerhalten. Damit wird die gleiche Aufteilung familiärer Verantwortung verhindert, was die tatsächliche Gleichstellung von Frauen blockiert.

Die GAW begrüßt es daher, dass die 2019 von der EU beschlossene Vereinbarkeitsrichtlinie ab 1. November 2023 endlich auch in Österreich umgesetzt wird. Damit ist nun ein starker, unbedingter Diskriminierungsschutz im Bereich Betreuung und Pflege von Kindern und Angehörigen, der rechtlich nicht mehr in Frage gestellt werden kann, im GlBG verankert.