Von Rassismus betroffene Mitarbeiterin wird von Großkonzern gekündigt

Frau I wird im Arbeitsalltag wiederholt rassistisch belästigt. Die Führungskräfte übernehmen trotz mehrmaliger Beschwerden der Mitarbeiterin keine Verantwortung und kündigen Frau I schließlich. Die Gleichbehandlungsanwaltschaft interveniert und erzielt einen Vergleich.

Vorfall: Mangelnde Abhilfe bei Rassismus und Kündigung

Für eine Karriere in einem multinationalen Konzern, gibt Frau I ihre bisherige, unbefristete Junior Position in einem kleineren Unternehmen auf. Sie wird beim neuen Arbeitgeber vorerst als Trainee angestellt, ihr wird aber ein fixer Posten als Brand Managerin in Aussicht gestellt.

Schon seit Arbeitsbeginn ist die Mitarbeiterin geschockt vom Arbeitsklima, in dem es immer wieder zu diskriminierenden Aussagen (gegen)über Kolleginnen kommt (z.B. Mutmaßungen über die Familienplanung bei internen Bewerbungsprozessen). In Pausengesprächen fallen wiederholt rassistische Aussagen in Anwesenheit von Frau I, die diskriminierende Stereotype über die Türkei bedienen oder sich darüber lustig machen, dass man bestimmte Wörter und Aussagen „ja gar nicht mehr sagen dürfe“. Frau I interveniert vorerst nicht, da sie gerade einen unbefristeten Juniorposten bekommen hat.

Besonders getroffen fühlt sich Frau I vom rassistischen Übergriff einer Kollegin. Unter dem Vorwand, dass Frau I’s Name zu schwierig zu buchstabieren sei, beharrt diese Kollegin darauf, lieber ihren eigenen Namen als Kontakt für ein gemeinsames Arbeitsprojekt anzugeben. Frau I beschwert sich über den Vorfall. Aber ihre Vorgesetzte nimmt die Mitarbeiterin in Schutz und argumentiert, dass Frau X „halt ziemlich direkt“ sei. Es werden keine Maßnahmen getroffen, um Frau I zu unterstützen.

Frau I ist aufgrund der Arbeitsumgebung psychisch stark belastet und beginnt eine Therapie. Bei deinem Teambuilding-Wochenende verwendet der Geschäftsführer im Rahmen einer Präsentation ein rassistisches Wording. Frau I beschwert sich erneut und betont, dass die Situation gerade für sie als einzige Ausländerin im Team sehr verletzend gewesen sei. Die Vorgesetzte entgegnet ihr, dass sie Frau I zwar „gar nicht als Türkin sehe“ und ihre Verletzung nicht nachvollziehen könne, sie aber ihr Anliegen weitergeben würde. Diese Erfahrung verschlechtert den Gesundheitszustand von Frau I. Sie lässt sich krankschreiben.

Frau I erhält daraufhin ein Kündigungsschreiben, das sich auf ihre längere Abwesenheitszeit beruft. Sie sucht das Gespräch mit ihrer Vorgesetzten, um die Hintergründe der Kündigung zu besprechen. Immerhin ist ihr Halbjahresgespräch zeitnah vor der Kündigung sehr positiv gewesen, der Großteil der Jahresziele sind bereits erreicht worden. Dennoch wird ihr von der Vorgesetzten im Austrittsgespräch vorgeworfen, dass ihre Performance ungenügend sei. Frau I fragt die Vorgesetzte im Gespräch, ob es eine Nachbesprechung zu ihrer Beschwerde über das Teambuilding-Event gegeben hat. Die Vorgesetzte reagiert irritiert: Es könne sich niemand an den Vorfall erinnern, bestimmte Wörter seien schlichtweg „deutscher Sprachgebrauch“, sie müsse das einfach akzeptieren.

Frau I möchte andere Menschen vor solchen Erfahrungen bewahren und das Unternehmen konfrontieren. Sie kontaktiert die Gleichbehandlungsanwaltschaft.

Rechtliche Hintergründe

Rassistische Diskriminierungen in der Arbeitswelt: Arbeitgeber:innen haben Abhilfeverpflichtung

Das Gleichbehandlungsgesetz verbietet Diskriminierung aufgrund der ethnischen Zugehörigkeit in der Arbeitswelt (§ 17 GlBG). Das Diskriminierungsverbot gilt u.a. während der Beschäftigung und auch bei der Begründung und Beendigung eines Arbeitsverhältnisses.

Werden Mitarbeiter:innen in ihrer Arbeitsumgebung rassistisch belästigt oder diskriminiert, haben Führungskräfte die Verantwortung, Abhilfemaßnahmen zu treffen (§ 21 Abs 1 Z 2 GlBG). Im vorliegenden Fall hat Frau I sich mehrfach über rassistische Vorfälle beschwert, die jedoch von den Vorgesetzen nicht ernst genommen worden sind.

Es ist für den Tatbestand der Belästigung unerheblich, ob die Handlungen oder Aussagen beabsichtigt oder unbeabsichtigt sind. Es geht auch nicht darum, ob Frau I damit direkt adressiert worden ist oder nicht. Wesentlich ist, dass Frau I diese Handlungen und Aussagen als rassistische Erniedrigungen empfindet und diese außerdem nach objektiven Maßstäben Würdeverletzungen darstellen, die mit der „ethnischen Zugehörigkeit“ im Sinne des Gesetzes in Zusammenhang stehen. In diesem Fall umfassen die Belästigungen etwa die wiederholte Nennung rassistischer Stereotype über das Herkunftsland von Frau I, die Verwendung rassistischer Redewendungen in einer Teampräsentation, aber auch die Abwertung des Nachnamens von Frau I als schwer buchstabierbar und die Weigerung, diesen nach außen zu kommunizieren.

Aufgrund der wiederholten Vorfälle und der mangelnden Abhilfe der Vorgesetzten erlebt Frau I ihr Arbeitsumfeld als sehr feindselig und wird krank. Frau I wird unter dem Vorwand einer mangelnden Leistungsperformance gekündigt, obwohl sie ihre Zielvereinbarungen bereits zur Jahreshälfte großteils erfüllt hat. Die Kündigung entbehrt daher jeglicher objektiven Grundlage.

Erfolgreicher Vergleich: Aber Klientin will „andere Menschen davor bewahren, sich so zu fühlen“

Die Gleichbehandlungsanwaltschaft unterstützt Frau I zunächst dabei, einen Antrag bei der Gleichbehandlungskommission einzubringen. Die Klientin erreicht mit Unterstützung der Gleichbehandlungsanwaltschaft einen Vergleich mit dem ehemaligen Arbeitgeber, der Schadenersatz leistet. Sie zieht ihren Antrag infolgedessen vor der Kommission zurück.

Der Ausgang der Vergleichsverhandlungen ist für die Klientin zwar finanziell zufriedenstellend. Aber die Unternehmensverantwortlichen weigern sich, die von Frau I geforderten Schulungsmaßnahmen durchzuführen, um die dem Vorfall zugrundeliegende strukturelle Problematik zu bekämpfen.

Fazit: Betriebskulturen müssen strukturellen Rassismus adressieren

Der Fall verdeutlicht die sehr drastische Problematik fehlender Abhilfe des Arbeitgebers. Wie die Klientin selbst treffend beschreibt, hat sich dieser multinationale Konzern seiner Verantwortung nicht gestellt. Ganz im Gegenteil: Sie haben sich aus der Verantwortung genommen, „indem sie lieber mich losgeworden sind, als mit diesem Problem konfrontiert zu werden.“

Rassismus ist ein strukturelles Problem, das sich durch kleine und große Unternehmen durchzieht. Die Beratungspraxis der Gleichbehandlungsanwaltschaft zeigt: Oft argumentieren Arbeitgeber:innen bei Rassismusvorwürfen, dass es bereits einen Code of Conduct gäbe, oder Diversitätsschulungen abgehalten worden sind. Dass Beschwerden von Betroffenen vor diesem Hintergrund dennoch ins Leere laufen, ist ein deutliches Zeichen mangelnder innerbetrieblicher Auseinandersetzung mit der Prävention von und Abhilfe bei rassistischer Diskriminierung. Der Perspektive und Wahrnehmung betroffener Personen wird keine (ausreichende) Bedeutung beigemessen.

Um eine möglichst sichere Arbeitsumgebung für alle Beschäftigten zu schaffen, braucht es eine regelmäßige Auseinandersetzung insbesondere auch damit, wie sich Rassismus konkret innerbetrieblich äußert. Diese Thematik sollte sowohl in Führungsgremien und bei der Belegschaft regelmäßig reflektiert werden. Vor allem aber braucht es klare Prozesse bei Vorfällen, damit von Rassismus betroffene Personen ernst genommen und unterstützt werden, der Sachverhalt aufgeklärt, und die Verursacher:innen in die Verantwortung genommen werden.

Weiterführende Informationen

Sie wurden in der Arbeitswelt rassistisch diskriminiert? Auf unserer Website finden Sie unser Unterstützungsangebot. Hier geht es zur Link: