Antimuslimischer Rassismus - ein gesamteuropäisches Problem
Während Österreich einen Anstieg gemeldeter Vorfälle verzeichnt, ist der Schutz auf EU- und auch auf österreichischer Ebene nach wie vor lückenhaft. Ein Problemaufriss.
Rassismus, der sich gegen Muslimin:innen richtet, ist ein Phänomen vieler europäischer Gesellschaften. Er existiert, wie Umfragen und Studien zeigen, unabhängig davon, wie groß der Anteil an Muslim:innen in der Bevölkerung tatsächlich ist.
21 Jahre nachdem die Europäische Union eine Anti-Rassismusrichtlinie erlassen hat, zeigen sich nach wie vor Schutzlücken: Während der Schutz bei rassistischer Diskriminierung neben der Arbeitswelt auch Zugang zu Wohnraum, Bildung etc umfasst, beschränkt er sich bei Religionsdiskriminierung alleine auf die Arbeitswelt.
Wie weit der Diskriminierungsschutz von Muslim:innen daher geht, hängt also von der Antwort auf eine Frage ab: Geht es bei Diskriminierung von Muslim:innen um Religion - oder doch um Rassismus? Die EU-Kommission spricht in ihrem EU-Aktionsplan gegen Rassismus 2020-2025 jedenfalls von einer Form von Rassismus, der mit der Religion in Verbindung steht. Dies entspricht auch der Rechtsansicht der GAW.
Antimuslimischer Rassismus entsteht unter dem Vorwand von Kritik an Religion und traditionellen patriarchalen Ungleichheiten, oft unter Berufung auf die Aufklärung und unter Hinweis auf überkommene Geschlechterverhältnisse. Vermeintlich „Fremdes und Rückschrittliches“ wird einer eigenen scheinbaren kulturellen Überlegenheit gegenübergestellt. Das Instrumentalisieren dieser Vorurteile setzt einen Teufelskreis in Gang. Antimuslimische Aussagen erfahren eine beträchtliche Resonanz und diese Resonanz befeuert Diskriminierung in vielen Lebensbereichen.
Gleichbehandlungsstellen – die aufgrund europarechtlicher Vorgaben in jedem Mitgliedstaat einzurichten sind – berichten über Diskriminierung von Muslim:innen in der Arbeitswelt, im Bildungsbereich, bei der Wohnungssuche und bei der Gesundheitsversorgung (Equinet-Report: Faith in Equality: Religion and Belief in Europe).
Die Gleichbehandlungsanwaltschaft (GAW) beobachtet in der Beratung, dass es insbesondere Frauen sind, die von Diskriminierung berichten. Sie werden oftmals aufgrund ihres Kopftuches diskriminiert und auch körperlich attackiert.
Während die Ressentiments gegen Muslime sich also immer wieder auf die scheinbare Rückschrittlichkeit im Geschlechterverhältnis beziehen, treffen die Diskriminierungen dann zum großen Teil Frauen. Dies führt wiederum dazu, dass Frauen schwerer im Berufsleben Fuß fassen und ein selbstständiges Leben führen können. Die GAW sieht in diesen Diskriminierungen auch eine klare intersektionelle Mehrfachdiskriminierung, bei der „Geschlecht“ jedenfalls eine Rolle spielt.
Das wird für Österreich von der Dokustelle Islamfeindlichkeit und antimuslimischer Rassismus ebenfalls wahrgenommen: Laut Rassismus Report für 2019 zeigt „die Aufschlüsselung der Daten nach Ort des Geschehens, Geschlecht und Tathandlung, dass als muslimische markierte Frauen ein bis zu 80,36% höheres Risiko haben, antimuslimischen Rassismus im Offline Bereich zu erleben als muslimisch wahrgenommene Männer.
Die Corona-Krise und die damit verbundenen Bewegungseinschränkungen führten auch zu einem Anstieg der Meldungen von Hass im Netz, wie der Verein ZARA (Zivilcourage & Anti-Rassismus-Arbeit) in seinem Rückblick 2020 berichtet. Dieser Bereich ist von der Beratung der GAW nur zu einem geringen Teil, zB bei Hassnachrichten im Zusammenhang mit Arbeitsverhältnissen, abgedeckt. Der Terroranschlag vom 2. November 2020 hatte bei ZARA, laut diesbezüglichem Pressestatement, einen Anstieg der Meldungen von antimuslimischen Rassismus zufolge.
Ganz grundsätzlich ist von einer großen Anzahl an Fällen auszugehen, die nicht gemeldet werden. Man spricht in diesem Zusammenhang von „underreporting“. Dies liegt unter anderem daran, dass Betroffene ihre Rechte nicht kennen oder nicht wissen, wohin sie sich wenden können. Personen, die häufig diskriminiert werden, haben aber möglicherweise auch nicht die zeitlichen oder emotionalen Ressourcen, um den Diskriminierungen nachzugehen.
Die GAW hat daher die Zusammenarbeit mit zivilgesellschaftlichen Organisationen und anderen relevanten Stakeholder:innen in den letzten Jahren verstärkt. Es gilt, Kräfte zu bündeln und gemeinsam gegen Diskriminierung vorzugehen. Die Regionalbüros der GAW ermöglichen eine persönliche Vernetzung und Anbindung mit den relevanten regionalen Stakeholder:innen vor Ort. Aktuell sind Veranstaltungen geplant: Das Regionalbüro Steiermark widmete sich dem Thema im Rahmen eines Workshops am 25. März. Ab 21. März läuft unter dem #rassismusmogined (Webseite von „Rassismus mog i ned“) eine online-Kampagne anlässlich des internationalen Tages gegen Rassismus, an der auch das Regionalbüro Oberösterreich beteiligt ist.
Auch im Rahmen der kroatischen Ratspräsidentschaft im Juni 2020 fand eine hochkarätige Veranstaltung mit dem Titel: „Fighting Discrimination on grounds of religion and ethnicity: vulnerabilities of muslim communities and the effects of covid 19 crisis” statt. Darauf aufbauend lud Equinet, das Netzwerk europäischer Gleichbehandlungsstellen, gemeinsam mit Tommaso Chiamparino, seit 2015 „Coordinator on combating anti-Muslim hatred“ der EU-Kommission im Jänner 2021 zu einem Online Workshop, an dem über 50 Vertreter:innen von Organisationen der Zivilgesellschaft und Gleichbehandlungsstellen teilnahmen. Dabei wurde an der Möglichkeit einer verbesserten Zusammenarbeit zwischen der Zivilgesellschaft und den Gleichbehandlungsstellen gearbeitet.
Neben den zivilgesellschaftlichen Organisationen arbeitet die GAW auch intensiv mit den Arbeiterkammern und Gewerkschaften zusammen - wesentliche Partner:innen, wenn es um Diskriminierung am Arbeitslatz geht!
Auf jeden Fall heißt es für alle Beteiligten: „Dranbleiben!“ Der Kampf gegen Rassismus in jeglicher Form ist ein gesamtgesellschaftlicher - und Rassismus wird nicht einfach so verschwinden!