Abhilfe bei sexueller Belästigung – eine Frage der Unternehmenskultur
Wie reagieren Vorgesetzte richtig, wenn Arbeitnehmer:innen ihnen berichten, dass sie sexuell belästigt werden? Das Thema stellt sich mit Home Office & geteilten Teams umso herausfordernder dar.
Wie reagieren Vorgesetzte und Führungskräfte richtig, wenn Arbeitnehmer:innen ihnen berichten, dass sie sexuell belästigt wurden? Dieses Thema war noch nie „einfach“ und stellt sich mit Home Office, geteilten Teams usw. umso herausfordernder dar.
In der Reflexion mit Führungskräften nach Vorfällen von sexueller Belästigung oder auch im Zuge von Verhandlungen vor der Gleichbehandlungskommission hören wir oft: „Rückblickend hätte ich anders reagieren müssen“ oder „Die Situation hat mich überfordert. Wem sollte ich glauben?“. Oft ist Führungskräften nicht klar, warum nach einem Vorfall, selbst wenn es Reaktionen darauf gegeben hat, plötzlich „Unruhe“ im Betrieb herrscht.
Eines ist jedoch sicher: die Reaktion auf eine Beschwerde wegen sexueller Belästigung hat nicht nur Auswirkungen auf die unmittelbar betroffenen Personen, sondern zieht viel weitere Kreise: Unter den Kolleg:innen wird geredet und jede:r hat eine Meinung dazu. Die gruppendynamischen Prozesse nach einem Vorfall von sexueller Belästigung müssen von Vorgesetzten jedenfalls besonders beachtet werden, wenn sie angemessen Abhilfe schaffen wollen – immerhin soll für Betroffene ein diskriminierungsfreies Arbeitsverhältnis geschaffen werden. In vielen Fällen, die an uns herangetragen werden, kommt es zu victim blaming durch Kolleg:innen oder Vorgesetzte, etwa mit Aussagen wie: „Hättest du dir halt was Anderes angezogen“ oder „Wie kannst du ihm das nur antun?“. Dies führt zu einer massiven zusätzlichen Belastung für Betroffene.
Was können Führungskräfte also tun?
Zunächst ist wichtig, den Betroffenen zuzuhören und klarzumachen, dass sexuelle Belästigung im Unternehmen nicht geduldet wird. Danach müssen Führungskräfte sofort konkrete Schritte planen, Nachforschungen anstellen und daraufhin angemessene Maßnahmen ergreifen. Das können Verwarnungen, Versetzungen oder auch die Kündigung des:der Belästiger:in sein. Danach ist es aber unumgänglich, das „Gerede“ aufzufangen, top down klare Ansagen darüber zu machen, wer bei einer Belästigung die Verantwortung trägt und eventuell auch Teamsupervisionen anzubieten. Wir haben dazu eine Broschüre (PDF, 256 KB) erstellt, die Unternehmen dabei unterstützen soll, mit dem Thema sexuelle Belästigung adäquat umzugehen.
Besonders wichtig ist es, zu verstehen, dass sexuelle Belästigung ein Machtinstrument ist und von Belästiger:innen dazu genutzt wird, die eigene Position zu stärken. Dies mag sogar manchmal ohne bewusste Absicht – mit einem unhinterfragten Selbstverständnis hinsichtlich der Ausnutzung der eigen Machtpositionen – geschehen, führt für die Betroffenen jedenfalls zu einer Herabwürdigung und kann auch gesundheitliche Folgen haben.
Oft erscheint es Führungskräften (organisatorisch) „einfacher“, die betroffene Person zu versetzen oder freizustellen, um sie schnell „aus der Schusslinie“ zu bringen. Diese Vorgehensweise zieht aber meist negative Konsequenzen für Betroffene mit sich: Sowohl für die betroffene Person, als auch für das Umfeld wird damit vermittelt „Sag nichts, sonst musst du weg!“. Es wird so gerade nicht signalisiert, wer die Verantwortung für ein belästigendes Verhalten - und damit auch die negativen Konsequenzen - zu tragen hat. Dies kann dazu führen, dass sexuelle Belästigung nicht gemeldet wird, dass belästigte Personen sich zurückziehen und Belästiger:innen den Eindruck haben, dass ihr Handeln folgenlos bleibt.
Bedingt durch die Pandemie arbeiten viele Menschen derzeit im Home Office oder in geteilten Teams. Dies verhindert sexuelle Belästigungen nicht. Die schwierige Arbeitssituation in der Krise und am Arbeitsmarkt kann Machtübergriffe wie sexuelle Belästigung sogar begünstigen (mehr dazu in unserem Blogpost zu sexueller Belästigung in der Corona-Krise). Führungskräfte sind gleichermaßen und vielleicht sogar noch mehr gefragt, sowohl präventiv zu handeln als auch angemessene Maßnahmen zu setzen, wenn es zu Belästigungen kommt.
Das Gleichbehandlungsgesetz pönalisiert gerade auch Untätigkeit und nimmt die Vorgesetzten in die Pflicht: Bei mangelnder Abhilfe, also wenn es zu weiteren Belästigungen kommt, oder wenn das Aufzeigen von sexueller Belästigung für die Betroffene negative Konsequenzen hat, macht sich das Unternehmen schadenersatzpflichtig.
Wenn Sie als Führungskraft Fragen zu diesem Thema haben, kontaktieren Sie uns unter gaw@bka.gv.at.