Die "Erstberatung" in der Gleichbehandlungsanwaltschaft (GAW), eine Anlauf- und Clearingstelle
Der Blog informiert Sie zur Arbeit der Erstberatung der Gleichbehandlungsanwaltschaft. Was passiert wenn ich mich an die GAW melde? Wer nimmt meine Anliegen entgegen? Wie wird mir geholfen?
Die GAW verzeichnet ca. 3500 Anfragen pro Jahr, sei es per Mail, über die GAW App, oder telefonisch. Diese wandern zunächst über den Tisch oder vielmehr sehr oft durch das Ohr der Erstberatung. Die Aufgaben, die die Mitarbeiter:innen der Erstberatung erfüllen, sind vielfältig. Sie sortieren die Anfragen vor, teilen sie den Gleichbehandlungsanwält:innen zu und sind für die Eingaben in unser Datenerfassungssystem verantwortlich. Vor allem sind sie aber auch zunächst erste Anlaufstelle für Personen, die von Diskriminierung betroffen sind. Die Erstberatung soll vor allem den Zugang zum Recht - ein wesentlicher Auftrag der Gleichbehandlungsanwaltschaft - sicherstellen.
Zersplitterung des Gleichbehandlungsrechts
Dieser Zugang zum Recht gestaltet sich speziell in Österreich schwierig: es gibt durch die Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern zahlreiche unterschiedliche Gleichbehandlungsgesetze und deswegen auch zahlreiche entsprechende Beratungsstellen. So gibt es unterschiedliche Stellen für den öffentlichen Dienst, und zwar für den Bund sowie für alle Länder und Gemeinden. Es gibt landesgesetzliche Gleichbehandlungs- und Antidiskriminierungsgesetze für den Zugang zu Dienstleistungen in der Kompetenz der Länder und bei einer Diskriminierung auf Grund einer »Behinderung« besteht ebenfalls eine eigene Institution – die Behindertenanwaltschaft. Diese "Zersplitterung des Gleichbehandlungsrechts" kann für Betroffene daher oft ein Rechtszugangsproblem werden. Die Frage: "Wer ist eigentlich zuständig?" kann nicht von den Betroffenen selbst beantwortet werden.
Homepage der GAW – erste Orientierung
Die GAW hat ein umfassendes Mandat bezüglich Diskriminierungsschutz für insgesamt sechs Diskriminierungsgründe (Geschlecht, ethnische Zugehörigkeit, Religion und Weltanschauung, Alter und sexuelle Orientierung) für die private Wirtschaft. Sie verfügt über einen hohen Bekanntheitsgrad, nicht zuletzt auch durch die langjährige Erfahrung in der Begleitung von Betroffenen von Diskriminierung. Viele Menschen wenden sich daher zuerst einmal an die GAW. Auch unsere Homepage ist leicht zu finden. Dort bieten wir auch einen ersten Überblick über die unterschiedlichen Beratungsstellen.
Clearing
Die Betroffenen können sich selbstverständlich telefonisch an uns wenden. Die Erstberatung der GAW nimmt damit eine Clearing-Funktion ein. Sie bietet eine umfassende erste Information über das Gleichbehandlungsrecht und leitet die Personen an die richtige Stelle weiter, wenn die Anfrage nicht in unseren Zuständigkeitsbereich fällt. Ein Credo der Erstberater:innen ist es, dass die Personen nur mehr ein weiteres Telefonat bis zur richtigen Stelle führen müssen. Als starke Kooperationspartner:innen bei der Hilfe, den Zugang zum Recht zu finden, erweisen sich vor allem auch die Arbeiterkammern und die (regionalen) NGOs.
Anlaufstelle Erstberatung
Oft genügt es Menschen, Missstände oder diskriminierende Vorfälle nur zu melden und zu wissen, dass sie von der GAW dokumentiert werden. Es wenden sich aber viele Menschen telefonisch mit konkreten Diskriminierungserfahrungen an die GAW. Oft kommt es dabei zu längeren Gesprächen mit der Erstberatung, vor allem wenn sich die Personen in akuten Ausnahmesituationen befinden, wie zB nach einer Kündigung, einer Delogierung oder einer sexuellen oder rassistischen Belästigung. Hier rückt die rechtliche Beratung zunächst häufig in den Hintergrund und es ist viel Fingerspitzengefühl gefragt. Unsere Mitarbeiter:innen in den fünf Büros der GAW können auf langjährige Erfahrung zurückgreifen und verfügen über hohe soziale Kompetenz.
Levelling up dringend erforderlich
Menschlich schwierig sind nämlich auch jene Situationen, in denen die Erstberater:innen den Betroffenen mitteilen müssen, dass für deren konkrete Diskriminierungserfahrung womöglich gar keine rechtliche Sanktion vorgesehen ist. Denn dass zB Diskriminierungen aufgrund der Religion und Weltanschauung, des Alters oder der sexuellen Orientierung beim Zugang zu Gütern und Dienstleistungen nicht durch das Gleichbehandlungsgesetz verboten sind, ist für die Betroffenen nicht nachvollziehbar. Allein in den letzten zwei Jahren musste die GAW ca 200 Mal Betroffene mit solchen Diskriminierungserfahrungen enttäuschen. Gerade durch die Anfragen in der Erstberatung erkennt die GAW immer wieder Lücken im Gesetz, z.B. bei sexuellen Belästigungen im Pflichtschulbereich, oder gegenüber Selbständigen. Auch hier muss die Erstberatung den Betroffenen mitteilen, dass sie nach dem Gleichbehandlungsgesetz keine rechtlichen Möglichkeiten haben, gegen Diskriminierung vorzugehen. Sollte dies strafrechtlich relevant sein, weist die Erstberatung die Betroffenen selbstverständlich darauf hin. Die GAW spricht sich für die Stärkung der Schutzmöglichkeiten gegen Diskriminierung in diesen vielfältigen Lebensbereichen aus und fordert immer wieder Angleichung des Gleichbehandlungsrechts anhand der tatsächlichen Diskriminierungserfahrungen der Menschen.
Anlaufstelle in der Corona-Krise
Die Corona-Krise hat das Team der Erstberatung vor neue inhaltliche aber auch organisatorische Herausforderungen gestellt. Wir mussten den Bürobetrieb quasi über Nacht auf Homeoffice umstellen und die oberste Priorität war es, so schnell wie möglich wieder telefonisch erreichbar zu sein, und zwar österreichweit an fünf Standorten. Dies ist uns innerhalb kurzer Zeit gelungen und es war für die Menschen auch besonders wichtig. Mit Bezug auf Corona verzeichnen wir bereits an die 140 Anfragen. Viele davon sind auch rechtliches Neuland. Verunsicherte Menschen, wütende Unternehmer:innen und verzweifelte Arbeitnehmer:innen, die sich gegenüber anderen Branchen und Gruppen ungleich behandelt fühlen, sie alle wenden sich an die GAW. Uns erreichen Fragen von Unternehmer:innen die entweder gar nicht oder nicht ausreichend Geld aus dem Härtefallfonds erhalten. Zivildiener, deren Dienst verlängert wurde, fühlen sich diskriminiert, weil sie einen bevorstehenden Job nicht antreten konnten oder wegen ihrer geringen Entschädigung gegen über den freiwilligen Zivildienern benachteiligt. Frauen melden sich, die neben dem Homeoffice zusätzlich die Betreuung und den Unterricht ihrer Kinder bewerkstelligen müssen und die Zeit dafür nicht ausreicht. Personen, die ihren Job verloren haben, suchen Hilfe bei der GAW. Immer wieder sind wir auch mit neuen Diskriminierungsphänomenen, wie zB mit Fragen zum sozioökonomischen Status, konfrontiert. Dazu haben wir bereits Gleichbehandlungs-Blogs verfasst.
Auch das europäische Netzwerk der Gleichbehandlungsstellen – Equinet – hat zu COVID-19 Fällen Daten aus verschieden Ländern gesammelt und Blogs dazu verfasst.
Die existenzbedrohenden Ängste von Betroffenen haben die Erstberatung in den letzten Wochen sowohl emotional als auch inhaltlich vor große Herausforderungen gestellt. Die Telefonate wurden länger, die Recherchearbeit intensiver, auch weil die gesetzlichen Grundlagen und Maßnahmen rund um die Corona-Krise große rechtliche Veränderungen mit sich brachten.
Die GAW ist seit 18.5.2020 wieder zurück im Büro und für die Menschen, die sich diskriminiert erachten, auch wieder vor Ort da. Auch wenn viele Maßnahmen rund um Corona wieder fallen werden, bleiben neue Diskriminierungssituationen vieler Menschen bestehen. Die GAW steht mit ihrer Erstberatung nach wie vor zur Verfügung, Menschen beim Rechtszugang und der Lösung ihrer Probleme zu unterstützen.