Diskriminierungsfreie Schule für alle!
Der Blogeintrag beschäftigt sich mit Schutzlücken im österreichischen Diskriminierungsschutz im Bezug auf Schule und der Forderung nach einem Leveling-Up und volle Gleichbehandlung.
Spätestens seit #metoo ist klar, dass sexuelle Belästigung in allen Lebensbereichen vorkommen kann. Es sollte daher auch ein umfassender Schutz davor gewährleistet sein.
Stellen Sie sich vor, ihre Tochter besucht eine HTL. Heute ist ein wichtiger Tag, sie ist nervös, weil sie eine mündliche Prüfung hat. Ihr Lehrer kommt zu ihr und sagt leise: „Du brauchst nicht nervös sein. Wenn du deine Bluse aufmachst, bekommst du einen Einser.“
Nicht nur im Zusammenhang mit einem Arbeitsverhältnis und beim Zugang zu Gütern und Dienstleistungen – auch in Schulen kann es zu solchen Vorfällen kommen. In diesem konkreten – und realen – Fallbeispiel schützt das Gleichbehandlungsgesetz (GlBG) die Schülerin vor sexueller Belästigung. Die GAW kann intervenieren, die Verantwortlichen damit konfrontieren und auch einen etwaigen Schadenersatz für die betroffene Person verhandeln.
Anders verhält es sich, wenn Ihre Tochter ein Gymnasium besucht. Derselbe Fall: Heute ist ein wichtiger Tag, sie ist nervös, weil sie eine mündliche Prüfung hat. Ihr Lehrer kommt zu ihr und sagt leise: „Du brauchst nicht nervös sein. Wenn du deine Bluse aufmachst, bekommst du einen Einser.“
Die Fallbeispiele sind annähernd identisch. Sie unterscheiden sich lediglich in einem für den Diskriminierungsschutz nach dem GlBG wesentlichen Aspekt: die Schulform. Während eine HTL eine berufsbildende Schule ist und damit als sogenannte „Berufsausbildung“ in den Diskriminierungsschutz der Arbeitswelt fällt, stellt ein Gymnasium eine allgemein bildende höhere Schule dar und fällt damit in den Tatbestand „Bildung“. Unter den Schutz fallen alle berufsbildenden höheren Schulen, wie beispielsweise eine HTL, HAK, BAfEP und alle höheren Lehranstalten so etwa für Mode oder Tourismus. Weiters sind auch alle Fachschulen, Berufsschulen und die Lehre umfassend geschützt.
Unter „Bildung“ fallen Volksschulen, neue Mittelschulen sowie Unter- und Oberstufe der allgemeinbildenden höheren Schulen (Gymnasien und Realgymnasien). Hier schützt das GlBG jedoch ausschließlich vor rassistischen Diskriminierungen und Belästigungen. Das bedeutet im erstgenannten Fallbeispiel liegt eine verbotene sexuelle Belästigung vor und die Schülerin hat nach dem Gleichbehandlungsgesetz Anspruch auf Schadenersatz. Im zweiten Fallbespiel jedoch nicht. Und das, obwohl sich die beiden Beispiele nur durch die Schulform unterscheiden.
Der GAW werden die unterschiedlichsten Benachteiligungen und Belästigungen im Bildungsbereich gemeldet.
- Selma M, 14 Jahre, NMS: „Meine Deutschlehrerin sagt mir immer, ich kann eh nur Putzfrau werden, weil ich ein islamisches Kopftuch trage.“ [Religion]
- Philipp A, 17 Jahre, Realgymnasium: „Beim Turnen konnte ich nicht auf dem Seil hochklettern. Mein Lehrer hat sich über mich lustig gemacht und gemeint, das ist nur was für echte Männer und nichts für Schwuchteln.“ [sexuelle Orientierung]
- Frau P, Mutter von Maria, 7 Jahre, Volksschule: „Die Volksschuldirektorin wollte unsere Tochter nicht aufnehmen, weil sie als einzige ein Jahr älter wäre. Sie hat uns an die andere Volksschule im Sprengel verwiesen, die aber weiter weg ist. Sie kann doch nichts dafür, dass sie im Oktober Geburtstag hat.“ [Alter]
- Stefan S, 15 Jahre, Gymnasium: „In Geschichte haben wir über die Nationalratswahl gesprochen. Mein Lehrer weiß, dass meine Mutter Gemeinderätin ist und hat ihre Partei schlecht geredet.“ [Weltanschauung]
Auch alle Bundesländer Österreichs bieten einen umfassenden Diskriminierungsschutz in ihren jeweiligen Landes-Antidiskriminierungsgesetzen auch im Bereich der Bildung.
Auch wenn es allfällige Disziplinarverfahren in den oben genannten Fällen geben kann, hat dies nicht denselben Effekt, wie ein umfassender Diskriminierungsschutz nach dem GlBG: ein:e betroffene:r Schüler:in hat kein Recht am Verfahren beteiligt zu sein und über den Ausgang in Kenntnis gesetzt zu werden oder Schadenersatz zu bekommen. Ein Verfahren nach dem GlBG würde dies jedoch bieten. Zudem ist durch die GAW und ein allfälliges Verfahren vor der Gleichbehandlungskommission ein niederschwelliger Rechtszugang gewahrt.
Die Ausweitung des Diskriminierungsschutzes im Bereich Bildung auf Geschlecht, sexuelle Orientierung, Religion, Weltanschauung und Alter betrifft überwiegend die Rechte von Kindern. Gerade dort muss aktiv am Abbau von strukturellen Diskriminierungsmustern, Vorurteilen und stereotypen Vorstellungen gearbeitet werden, denn das ist eine Grundvoraussetzung für die Bekämpfung von Diskriminierung im Arbeitsleben oder beim Zugang zu Gütern und Dienstleistungen.
Die GAW dokumentiert alle ihr gemeldeten Fälle von Diskriminierung. Durch ein umfassendes Melden – insbesondere auch von Diskriminierungen, die derzeit noch nicht geschützt sind – kann so die bestehende Schutzlücke besser aufgezeigt und der Forderung nach einem umfassenden Schutzniveau auch außerhalb der Arbeitswelt, dem sogenannten „Levelling-up“, stärker Nachdruck verliehen werden. Auch im aktuellen Tätigkeitsbericht der GAW wird die Wichtigkeit des "Levelling-up" erneut betont.
Der Gesetzgeber hat die Möglichkeit, in diesem sensiblen Bereich die Expertise der GAW zu nutzen und Betroffenen eine spezialisierte Rechtsberatung und -unterstützung beizugeben.
Die GAW fordert: Gleicher Schutz vor Diskriminierung für alle!