Von der erfolgreichen Abteilungsleiterin zur unbequemen Karenzrückkehrerin: Abfertigung ausverhandelt
Der Fall des Monats beschäftigt sich mit Fragen der Vereinbarkeit von Familie und Beruf nach der Karenz und damit verbundene Geschlechterdiskriminierung.
Vorfall und Unterstützung
Frau L leitet eine Abteilung in einem großen Unternehmen. Sie bekommt ein Kind, geht in Karenz und legt ihrem Arbeitgeber einen gut durchdachten Plan für ihre Rückkehr vor. Drei Monate vor Ablauf der einjährigen Karenz nimmt Frau L Kontakt zu ihrem Arbeitgeber auf. Der Chef teilt ihr mit, dass er mit der neuen Mitarbeiterin – die auf Frau Ls Stelle unbefristet eingestellt wurde – sehr zufrieden sei und dass es derzeit keine gleiche oder gleichwertige Stelle für Frau L gebe. Die weiteren Gespräche führt Frau L dann direkt mit der Personalabteilung. Diese legt ihr nahe, über eine einvernehmliche Auflösung nachzudenken.
Für den Fall, dass es nicht zu einer einvernehmlichen Auflösung kommt, wird ihr eine Stelle angeboten, die weder ihrer vorherigen Stelle noch ihrer Qualifikation entspricht. Sie bedeutet de facto einen deutlichen beruflichen Abstieg und eine ungewünschte berufliche Umorientierung.
Frau L erkundigt sich über ihre rechtlichen Ansprüche, um sich auf Verhandlungsgespräche vorbereiten zu können. Sie wendet sich an die Gleichbehandlungsanwaltschaft (GAW). Die GAW sieht im geschilderten Sachverhalt eine Diskriminierung nach dem Gleichbehandlungsgesetz (GlBG).
Es kommt zu mehreren Verhandlungsrunden und einem Interventionsschreiben der GAW. Schließlich kann ein Vergleich erzielt werden: Frau L stimmt einer einvernehmlichen Auflösung zu. Darüber hinaus erhält sie eine einmalige Abfertigung. Frau L ist mit dem Vergleich zufrieden: „Die professionelle Rechtsberatung sowie persönliche Unterstützung der Gleichbehandlungsanwaltschaft waren eine wesentliche Säule zur Erreichung einer gütlichen Einigung mit meinem Arbeitgeber.“
Rechtliche Hintergründe
Das Gleichbehandlungsgesetz schützt Wiedereinsteiger:innen und Personen in Elternkarenz und Elternteilzeit. Sie dürfen nicht wegen ihrer Karenz, ihrer Rückkehr aus der Karenz oder ihrer Elternteilzeit – und damit der Tatsache, dass sie Kinder haben – diskriminiert werden. Auch das Drängen auf eine einvernehmliche Auflösung kann, wenn es auf Grund der Elternschaft erfolgt, nach Ansicht der GAW, dem Diskriminierungsverbot unterliegen (siehe auch Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG (2021) § 3 Rz 139).
Bei solchen Benachteiligungen handelt es sich um Diskriminierung bei den sonstigen Arbeitsbedingungen gem. § 3 Z 6 GlBG. Meist sind dabei auch weitere arbeitsrechtliche Normen zu beachten. Das GlBG selbst sieht einen Anspruch auf Gewährung nicht geschlechtsdiskriminierender Arbeitsbedingungen oder auf Ersatz des Vermögensschadens und auf eine Entschädigung für die erlittene persönliche Beeinträchtigung vor (§ 12 Abs 6 GlBG).
In Frau Ls Fall ermöglicht das Unternehmen eine Rückkehr an ihre ursprüngliche Stelle nicht, bietet keine gleichwertige andere Stelle an, setzt Frau L somit unter Druck, das Unternehmen zu verlassen und schädigt den Karriereverlauf der Karenzrückkehrerin. Die Voraussetzungen für das Vorliegen einer Diskriminierung nach dem GlBG sind, nach Ansicht der GAW, jedenfalls erfüllt.
Fazit
Wie die Beratungspraxis der GAW zeigt, gestaltet sich der Wiedereinstieg nach der Elternkarenz und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf oftmals schwierig. Die GAW ist daher etwa Teil des EU-Forschungsprojekt „parents@work“. Damit setzt sie sich dafür ein, präventiv gegen Diskriminierungen von Eltern in der Arbeitswelt vorzugehen und unterstützt Unternehmen mit Informationsmaterial und Schulungen dabei, Maßnahmen für eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu implementieren.
Studie: Diversitätsmaßnahmen und ihre Auswirkungen auf die Resilienz von Unternehmen in Krisensituationen
Eine der Maßnahmen, die sich Eltern von ihren Arbeitgeber:innen für eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie wünschen, ist Home Office. Doch trägt Homeoffice zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf bei? Dieser und weiteren Fragen rund um die Resilienz von Unternehmen in Krisensituationen ist die GAW nachgegangen und hat das Ludwig Boltzmann Institut für Grund- und Menschenrechte mit einer Studie dazu beauftragt. Die Erkenntnisse aus der Studie werden am Mittwoch, 19.01.2022 im Rahmen der Jubiläumsausstellung „Jetzt im Recht! Wege zur Gleichbehandlung“ im Volkskundemuseum Wien präsentiert.
Weiterführende Links:
- Volkskundemuseum - Studienpräsentation
- Studienergebnisse, Broschüren und Informationsvideos zum Projekt parents@work: Parents@Work - Gleichbehandlungsanwaltschaft
- RIS - Gleichbehandlungsgesetz - Bundesrecht konsolidiert, Fassung vom 11.01.2022 (bka.gv.at)