Gleichbehandlungsanwaltschaft drängt auf rasche Umsetzung der EU-Standards für Gleichbehandlungsstellen in Österreich
Klagerechte, Ausbau der Präventivarbeit und verpflichtende rechtspolitische Einbindung stärken Gleichbehandlungsstellen
Wien (OTS) - Die Richtlinien sind seit 7. Mai 2024 in Kraft und verankern unter anderem umfassende Klagerechte und Präventivarbeit als weitere Säulen der täglichen Arbeit von Gleichbehandlungsstellen. Österreich muss bei den rechtlichen Grundlagen und Ressourcen nachholen, um diese Standards einzuhalten. Damit Gleichbehandlungsstellen ihren gesellschaftlichen Auftrag erfüllen können, ist laut Gleichbehandlungsanwaltschaft eine Anpassung in der kommenden Regierungsperiode dringend nötig. „Bessere Standards für Gleichbehandlungsstellen kommen allen Menschen zugute, die bei Diskriminierungserfahrungen Unterstützung brauchen. Die neuen EU-Richtlinien müssen deswegen in Österreich rasch umgesetzt werden“, so Sandra Konstatzky, Leiterin der Gleichbehandlungsanwaltschaft.
Klagerechte für Gleichbehandlungsstellen bringen mehr Rechtssicherheit für Betroffene
Die Gleichbehandlungsanwaltschaft fordert Klagerechte. Diese sind auch in den EU-Richtlinien zu Standards für Gleichbehandlungsstellen vorgesehen. Es ist wichtig für die Gleichbehandlungsanwaltschaft, bei ungeklärten Rechtsfragen Musterfälle führen zu können. „Mit Einzelklagen werden Rechtsmeinungen gebildet, die auch eine starke Wirkung über den Einzelfall hinaus haben. Sie sind unser Kompass für die tägliche Beratungsarbeit und fließen außerdem in unsere Sensibilisierungsarbeit für Unternehmen und Dienstleister:innen ein. So können wir mehr Rechtssicherheit und Klarheit für alle schaffen“, erklärt Sandra Konstatzky. Außerdem braucht die Gleichbehandlungsanwaltschaft dringend eine Handhabe gegen diskriminierende Praktiken, ohne dass sich Betroffene überhaupt an die Gleichbehandlungsanwaltschaft wenden müssen. Verbandsklagen würden der Gleichbehandlungsanwaltschaft ein rechtliches Instrument für ähnlich gelagerte Fälle sichern, wie beispielsweise bei einem Kärntner Lokalbetreiber. Dieser kündigte im Jänner 2023 auf Social Media an, „keine Araber“ bewirten zu wollen. „Eine solche unverhohlene, öffentliche rassistische Aussage könnte mit einer Klage der Gleichbehandlungsanwaltschaft auf Unterlassung wirksam bekämpft werden“, argumentiert Sandra Konstatzky.
Unterfinanzierte Präventivarbeit: Aktueller Schulungsbedarf ist nicht gedeckt
Laut EU-Richtlinien haben Gleichbehandlungsstellen auch den Auftrag, Präventiv- und Sensibilisierungsarbeit für die Gesellschaft zu leisten. Gleichbehandlungsstellen haben eine Schlüsselrolle, da sie strukturelle Aspekte von Diskriminierung benennen und so zum sozialen Wandel beitragen können. Um den großen Bedarf zu decken, reichen jedoch die Personalressourcen und das Budget der Gleichbehandlungsanwaltschaft nicht aus.
Konkret fehlt die Ausstattung für Informations- und Öffentlichkeitsarbeit sowie für Datenerhebungen und Grundlagenforschung. Dieser Ressourcenmangel ist laut Sandra Konstatzky folgenreich: „Wir haben keine gesicherte Stelle für unsere Öffentlichkeitsarbeit, obwohl wir den Auftrag haben, die Öffentlichkeit zu sensibilisieren. In anderen EU-Ländern gibt es alleine dafür zehn Stellen. Aus Personalmangel müssen wir aktuell leider auch rund ein Viertel aller Schulungsanfragen von Unternehmen absagen. Unsere Gleichbehandlungsanwält:innen sind mit Beratungstätigkeiten voll ausgelastet und müssen diese Aufgabe zusätzlich stemmen. Das ist nicht nachhaltig und widerspricht den EU-Standards.“
Künftig sollen Gleichbehandlungsstellen für die Erhebung von Gleichstellungsdaten eine koordinierende Funktion haben und unabhängige Studien und Untersuchungen durchführen. Auch für diese wichtige Aufgabe müsste die Gleichbehandlungsanwaltschaft personell und budgetär aufgestockt werden.
Verpflichtende Konsultationen mit Gleichbehandlungsstellen müssen Standard werden
Die EU-Standards sehen außerdem eine Beteiligung von Gleichbehandlungsstellen an politischen und gesetzgeberischen Prozessen vor. Ähnlich wie in Deutschland sollte laut Leiterin der Gleichbehandlungsanwaltschaft auch in Österreich die Miteinbeziehung von Gleichbehandlungsstellen verpflichtend sein. Aktuell sei die Gleichbehandlungsanwaltschaft nicht immer eingebunden, kritisiert Sandra Konstatzky: „Als Gleichbehandlungsstelle stehen wir jedoch an vorderster Front. Wir können aufgrund unserer jahrelangen Beratungspraxis viel dazu beitragen, lebensnahe und wirksame Gesetze und Maßnahmen für eine diskriminierungsfreie Gesellschaft zu entwickeln.“
Zur Gleichbehandlungsanwaltschaft
Die Gleichbehandlungsanwaltschaft (GAW) ist eine unabhängige staatliche Einrichtung. Im Rahmen ihres gesetzlichen Auftrags ist sie für die Beratung und Unterstützung von Personen zuständig, die sich als diskriminiert erachten – aufgrund ihrer ethnischen Zugehörigkeit, ihres Geschlechts, Alters, ihrer sexuellen Orientierung, der Religion oder Weltanschauung. Neben der Zentrale in Wien, zuständig für Wien, Niederösterreich und Burgenland, hat die GAW vier Regionalbüros in Graz, Klagenfurt, Linz und Innsbruck und berät österreichweit unter der gebührenfreien Hotline 0800 206 119.